

Jan Van Eyck hat Ölfarbe erfunden.
Richtig oder falsch?
Falsch. Die Ölmalerei wurde schon in einem Traktat aus dem 12. Jahrhundert beschrieben. Van Eyck startete seine Karriere als Maler erst viel später, um das Jahr 1420 herum.
Woher stammt diese Geschichte dann?
Sie ist eine recht alte Geschichte. Der italienische Kunsthistoriker Giorgio Vasari schrieb um 1550 eine Reihe von Künstlerbiografien. Darin bezeichnete er Van Eyck als den Erfinder der Ölmalerei in einer Zeit, in der hauptsächlich mit Tempera (in Wasser und Eigelb gelöste Pigmente) gemalt wurde. Er nennte Van Eyck auch einen Alchemisten, aber nicht, weil er Blei in Gold verwandeln wollte. Das Wort bezeichnete jemanden, der die Eigenschaften neuer Stoffe erforschte. Also eher ein Chemiker als ein Magier, und das war Van Eyck tatsächlich.

Ein Körnchen Wahrheit?
Van Eyck hat die Technik der Ölmalerei enorm verfeinert. Öl trocknet viel langsamer als Wasser, aber durch die Verwendung neuer Trockenmittel, zum Beispiel auf Nussbasis, konnte Van Eyck den Prozess beschleunigen Mit den neuen Sikkativen konnte er schneller arbeiten und das tun, was er am besten konnte: die Qualität des Lichts in dünnen, übereinander liegenden Farbschichten eindrucksvoll einfangen. Und das ist meiner Meinung nach wohl eine meisterhafte Revolution.
Van Eyck war ein Spion im Auftrag von Phillip dem Guten
Richtig oder falsch?
Falsch.
Woher stammt diese Geschichte dann?
Von überall, vor Kurzem wurde sie sogar noch mal wiederholt im Suske und Wiske-Band Nr. 351: De verloren Van Eyck (der verlorene Van Eyck). Jan Van Eyck hat tatsächlich einige Male im Auftrag von Phillip dem Guten gereist. 1428 gehörte er zu einer Delegation, die nach Lissabon reiste, um eine Heirat mit Isabel de Portugal auszuhandeln. Van Eyck malte dort ihr Porträt, welches von einem Boten nach Phillip gebracht wurde, sodass der Herzog sehen konnte, was ihm angeboten wurde. Das Ergebnis hat ihm angeblich gefallen, denn Isabel wurde seine dritte Frau. Das Porträt ging leider verloren.

Ein Körnchen Wahrheit?
Jan Van Eyck stand auf der Gehaltsliste des burgundischen Hofs. Phillip hat sein Gehalt sogar erheblich angehoben, als Van Eyck drohte, seine Arbeit anderswo auszuüben. Aber er wurde als Maler bezahlt, nicht als Diplomat und er war überhaupt kein politischer Spion.
Ich weiß, wo sich die Tafel mit den Gerechten Richtern befindet!
Richtig oder falsch?
Falsch, es sei denn, sie wissen tatsächlich mehr darüber.
Woher stammt diese Geschichte dann?
In der Nacht vom 10. auf den 11. April 1934 wurde die Tafel mit den Gerechten Richtern aus der St.-Bavo-Kathedrale gestohlen, ebenso wie die Tafel mit Johannes dem Täufer auf der Rückseite. Johannes tauchte in einem Schließfach im Bahnhof Bruxelles-Nord auf, zusammen mit einer Forderung nach zusätzlichem Lösegeld. Vergeblich. Über diesen „kühnen Diebstahl“ gibt es viele spannende Details, darunter Erpresserbriefe und eine aufregende Szene am Sterbebett eines möglichen Komplizen.
Ein Körnchen Wahrheit?
Kein. Alle möglichen Personen mit nur irgendeiner Theorie über das mögliche Versteck der verschollenen Tafel werden gehört. Mittlerweile hat es schon Durchsuchungen und Ausgrabungen in der Grafenburg, in einem Brunnen, in einer Parkgarage, in einem französischen Kloster und unter Privatwohnungen gegeben. Erst kürzlich wurde sogar die Straße in Kalandeberg im Zentrum von Gent aufgebrochen, und Journalisten und Fotografen waren wie immer treu dabei. Der einzige Grund, aus dem ich hoffe, dass die Tafel zurückgefunden wird, ist, dass man dann endlich über die ganze Sache schweigen wird.

Jan Dumolyn
Jan Dumolyn ist Professor für Mittelalterliche Geschichte bei der Universität Gent. Als Co-Kurator der Ausstellung Van Eyck — Eine optische Revolution analysierte er die historischen Quellen über die Brüder Van Eyck erneut. Das war notwendig, denn über den Genter Altar werden (zu) viele Mythen und Unwahrheiten endlos wiederholt.
